Diesmal mit einem Gastbeitrag von unserer Hörerin Viktoria
Als ich Anfang 2012 schwanger wurde, war das erstmal eine etwas bange Zeit. Ich hatte mein erstes Kind 2011 in der achten Woche verloren und dann bangt man natürlich umso mehr. Aber es war eine tolle Schwangerschaft und ich hab sie wirklich total genossen. Im November kam dann unser Sohn auf die Welt. Mir wurde schon beim zweiten Ultraschall gesagt, dass das Kind wohl ziemlich groß ist. Und so war es dann auch. Ein strammes Kerlchen mit 4530g und 53cm und einem Kopfumfang von 38cm (und nein, ich habe ihn nicht natürlich entbunden!). Als ich vom Kaiserschnitt wieder in den Kreißsaal gebracht wurde, wartete schon mein Mann mit unserem Baby. Die Hebamme legte ihn mir auf die Brust mit den Worten „Er ist soweit gesund, nur seine Füße sind nicht ganz in Ordnung.“ Aber das hab ich in dem Moment gar nicht so richtig realisiert.
Am nächsten Tag hat mir dann mein Mann erklärt, dass mit den Füßen vom Kleinen was nicht stimmt. Wahrscheinlich Sichelfüße. Gesehen hab ich es dann erst nochmal einen Tag später. Und bin natürlich erstmal in Tränen ausgebrochen. Klar, Hormonchaos nach der Geburt und dann ist das Kind halt nicht 100%ig gesund… Die Kinderärztin im Krankenhaus machte uns aber Mut und meinte, es sei nicht so schlimm. Er bräuchte ein paar speziell angelegte Gipse und dann sei das in 6 Monaten wieder gut. Sie hat uns auch gleich einen Termin in der Kinderorthopädie gemacht.
Diagnose: Leider keine Sichelfüße – ausgeprägte Klumpfüße!
Da saßen wir dann auch eine Woche später. Beide mit den Nerven am Ende und gespannt, was uns denn gesagt werden würde. Der Kleine wurde nochmal genau untersucht und dann stand fest: (leider) keine Sichelfüße, sondern sehr ausgeprägte Klumpfüße. Für uns brach erstmal eine Welt zusammen. Denn (wie man das heute eben so macht) hatten wir natürlich fleißig gegoogelt und wussten, dass die Behandlung von Klumpfüßen wesentlich aufwendiger und langwieriger ist. Der kleine Mann bekam dann auch sofort die ersten Gipse: Beide Beine komplett von den Zehen bis zum Oberschenkel in Gips.
Zuhause haben wir uns dann erstmal weiter informiert. Und sind dabei auf eine Behandlungsmethode gestoßen, die ohne große Operation auskommt (Ponseti-Methode). Uns war schnell klar, dass das genau die Methode zu sein schien, nach der wir die Behandlung fortsetzen wollten. Man muss wissen, dass früher bei Klumpfüßen der komplette Fuß aufgeschnitten wurde und dann die falsch stehenden Knochen und Sehnen korrigiert wurden. Beim zweiten Termin in der Kinderorthopädie hat sich leider herausgestellt, dass das Team dort nicht diese Methode verwendet. Also mussten wir nach dem zweiten Gips einen neuen Arzt suchen. Diese Suche hat uns zu Prof. Hamel am Stachus in München geführt. Er ist einer der führenden Orthopäden auf dem Gebiet der Klumpfußbehandlung.
Wie ging es weiter? Unser Sohn bekam jede Woche neue Gipse, die jedes Mal ein wenig mehr nach außen gedreht wurden. Vor allem das Anlegen der Gipse war jedes Mal eine Tortour, weil ein Baby eigentlich keine Lust hat so lange still zu liegen und sich dann auch noch was an die Beine „kleben“ zu lassen. Aber da er sich sonst überhaupt nicht von den Dingern stören liess, haben wir den einen Termin in der Woche immer ganz gut überstanden. Das ging dann so bis Mitte Januar. Dann wurden die Achillessehnen durchtrennt. Das kann man bei so ganz Kleinen noch unter örtlicher Betäubung durch die Haut machen, weil die Sehne nur so dick wie ein Bindfaden ist. Danach bekam er die letzten Gipse (für drei Wochen).
Mitte Februar bekam er dann eine spezielle Schiene (Alfa-Flex-Schiene), die die Füße weiter in der Außenrotation halten soll. Diese musste er für weitere drei Monate 23 Stunden am Tag tragen. Auch hier hatte er Gott sei Dank überhaupt keine Probleme. Wir haben bis heute keine Schwierigkeiten, ihm die Schiene anzulegen und er macht mit der Schiene alles, was er auch ohne macht. In der Zwischenzeit sind wir zurück in unsere Heimat zwischen Stuttgart und Heilbronn gezogen und sind im Stuttgarter Kinderkrankenhaus bei Dr. Eberhard in Behandlung. Auch er ist ein großartiger Arzt, den man wirklich nur weiterempfehlen kann.
Seit dem Muttertag 2013 (was für ein tolles Datum) muss er die Schiene nur noch zum schlafen tragen (12-14 Stunden pro Tag). Und was soll ich sagen? In der Zwischenzeit denke ich mir, ich bin froh, dass er „nur“ das mit den Füßen hat. Es gibt so viel schlimmere Sachen, die ein Kind haben kann. Aber es gibt auch immer wieder Momente, in denen ich mir einfach wünsche, er hätte das nicht. In einem Monat wird er ein Jahr alt. Und ich frage mich, wo das Jahr nur geblieben ist. Vor ein paar Tagen hat er den ersten Schritt freihändig gemacht. Und ich ein paar Tränchen im Auge gehabt. Einfach, weil ich am Anfang nie gedacht hätte, dass er sich so normal entwickeln würde.
Um auf den Titel meiner Geschichte zurück zu kommen: Diese Frage habe ich im ersten halben Jahr so oft gehört, dass ich einen riesen Respekt für alle Eltern entwickelt habe, die nicht nur temporär mit dieser Frage zu kämpfen haben.
Hilfreiche Links:
http://www.ponseti-fuesse.de/ (Die haben wirklich alle Infos, die man so braucht)
http://www.orthopaediepraxen.de /default.aspx?page=Prof.%20Dr.%20med.%20Johannes%20Hamel (unser Prof in München)
http://www.klinikum-stuttgart.de/kliniken-institute-zentren/kliniken/oh/orthopaedische-klinik/team/aerzteteam.html (Dr. Eberhard, unser Orthopäde hier in Stuttgart)